Nachhaltiges Palmöl: Die Migros hats

2009 rangierte die Migros im WWF-Palmöl-Ranking auf Platz 3. Diesen Spitzenrang verdankt die Detailhändlerin ihrem Engagement. Fünf Jahre zuvor war sie als Gründungsmitglied dabei, als der «Roundtable on Sustainable Palm Oil» (RSPO) ins Leben gerufen wurde. Der Verein hat sich verpflichtet, den Anbau und Vertrieb von nachhaltigem Palmöl zu fördern.

 

Man nehme acht Teile einer Pflanzenöl-Fettmischung, zwei Teile Buttermilch, ein Eigelb für die Farbe, wenig Zitronensaft und wenig Salz. Das Ganze erhitze man auf 60 Grad, bis alle Zutaten flüssig sind, gebe die Mischung in eine Schüssel, die auf Eiswürfel gebettet ist, und rühre die Mixtur ca. zehn Minuten lang mit einem Schwingbesen. Voilà und schon fertig, Margarine, selbstgemacht.
Das Rezept stammt von Robert Keller, Ressortleiter Food und Geschäftsleitungs-mitglied des Migros-Industriebetriebs Mifa. Es zeige, «dass Margarine gar nicht so künstlich ist, wie viele glauben». Besonders in den 90er Jahren genoss der Brotaufstrich einen zweifelhaften Ruf. Erst waren es die in ihm enthaltenen Transfettsäuren, die den Cholesteringehalt im Blut erhöhen. Dann machte das Palmöl von sich reden, der Transfettsäuren-Ersatzstoff.

Palmöl, ein Tausendsassa

In den 90er Jahren ersetzte die Migros – wegen den Transfettsäuren – die gehärteten Öle durch Palmöl. So lagern denn in der Mifa im baselländischen Frenkendorf neben all den Zutaten, die es etwa für die Produktion von Margarine und Speisefetten braucht, auch Palmöl. Der Rohstoff kommt zum Einsatz bei Lebensmitteln, Wasch- und Reinigungsprodukten sowie Kosmetika. Er ist enthalten in Backwaren, Suppen und Saucen, in Süsswaren und in Margarine. In Shampoos, Waschmitteln und Lippenstiften und zunehmend wird er auch für die Produktion von Biodiesel gebraucht. Neben Asien ist Europa der Hauptabsatzmarkt für das Öl, das in tropischen Ländern gewonnen wird. «Palmöl», sagt Robert Keller, «hat sich zum Topselling-Öl entwickelt. 1999 besetzte es nach dem Sojaöl den zweiten Rang, heute ist es auf Platz eins.» Zu tun hat dieser Siegeszug mit seiner Flächenproduktivität – auf einer Hektare lassen sich pro Jahr 3.7 Tonnen Palmöl produzieren. Zum Vergleich: Eine Hektare Raps, die Ölpflanze, die in der Schweiz am häufigsten angebaut wird, ergibt rund 0.6 Tonnen Öl.

Ein Siegeszug mit Nebenwirkungen

In den Zeitungen war allerdings schon in den 90ern von brandgerodeten Wäldern in Indonesien und Malaysia  zu lesen – statt Tropenhölzern sollten künftig Ölpalmen wachsen. Fernsehdokumentationen zeigten, mit welch brutaler Gewalt Paramilitärs, angeheuert von Palmölproduzenten, Kleinbauern in Kolumbien von ihrem Land vertrieben.

1999 publizierte der «Tages-Anzeiger» eine Reportage mit dem Titel «Statt Tropenholz liefert Borneo Margarine». Darin wurde aufgezeigt, wie auf der Insel im indonesischen Archipel der Regenwald erst abgeholzt und als überdüngte und mit Pflanzenschutzmitteln vollgepumpte Ölpalmplantagen «missbraucht» wurde. «Die Flüsse, das Grundwasser und selbst die Küstengewässer», schrieb der Autor, «sind durch den ungehemmten Einsatz von Chemie vergiftet.» Die fortschreitende Zerstörung des Regenwaldes, so lautete sein Fazit, entzieht den Penan, den Ureinwohnern von Borneo, ihre Lebensgrundlage.

Die Reaktion bleibt nicht aus

Nach der Lektüre der Reportage war Robert Keller aufgewühlt. Er beschloss, das Problem zusammen mit dem Migros-Genossenschafts-Bund anzugehen.

Pro Jahr verarbeitet die Migros in ihren Industriebetrieben rund 6'500 Tonnen Palmöl. Und ist damit auf dem 43-Millionen-Tonnen-Palmöl-Weltmarkt nur ein Winzling. Um einen Ausweg zu finden, schloss sich der Winzling mit dem WWF zusammen. Das gemeinsame Ziel der Detailhändlerin und der Umweltorganisation: eine nachhaltige Palmölproduktion. Man erarbeitete Kriterien, die sicherstellen, dass jederzeit rückverfolgt werden kann, woher das Öl stammt – bzw. stammen muss: von Plantagen, die den Arbeitern gerechte Löhne zahlen, die Kinderarbeit verbieten und für die Gewinnung des Rohstoffs und für den Anbau neuer Plantagen mit der Umwelt schonend umgehen. Es dürfen weder Wälder brandgerodet noch Torfmoore trockengelegt werden. Die Landrechte zugunsten der lokalen Kleinbauern sollen festgeschrieben werden und für einen Schutz der Wildtiere muss gesorgt sein. Damit das Plantagenmanagement die Kriterien auch tatsächlich einhält, finden regelmässig Kontrollen statt, durchgeführt von Zertifizierungsfirmen.

Ein Neuanfang

Im Dezember 2001 setzte die Migros erstmals nachhaltig produziertes Palmöl in ihren Produkten ein, im September 2002 wurde sie von der Internationalen Handelskammer (ICC) und dem Uno-Umweltprogramm (Unep) am Umweltgipfel in Johannesburg für ihr Engagement ausgezeichnet. Nun war es an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen und die Kriterien, die man in der Schweiz erarbeitet hatte, zu internationalisieren. 2004 gründete der WWF mit der Migros und fünf weiteren Mitgliedern in Zürich den «Roundtable on Sustainable Palm Oil» (RSPO). Einen Verein nach Schweizer Recht, in dem Palmölproduzenten und -verarbeiter, NGO's, Hersteller von Konsumgütern, Detaillisten, Banken und Investoren Einsitz haben. Vier Jahre später, im Herbst 2008, wurde im Hafen von Rotterdam das erste Containerschiff mit RSPO-zertifiziertem Palmöl gelöscht.

2009 stammten von den weltweit erzeugten 43 Millionen Tonnen Palmöl 1.5 Millionen aus nachhaltiger, zertifizierter Produktion. Dazu gehörten selbstverständlich die 6'500 Tonnen, die bei der Migros verarbeitet wurden und deren nachhaltiger Anbau mit dem Kauf von Greenpalm-Zertifikaten abgesichert wurde. Zudem verpflichtet die Migros auch ihre Drittlieferanten zum Einsatz von nachhaltigem Palmöl.

Erfolgsmeldung für die Migros 2009

Im Herbst 2009 publizierte der WWF die Ergebnisse eines Rankings, das 59 europäische Retailer sowie Nahrungsmittel- und Kosmetikkonzerne auf den Einsatz von nachhaltig produziertem Palmöl untersuchte: Die Migros hat für ihr Engagement gute Noten erhalten und lag beim Ranking auf Platz 3 nach den britischen Unternehmen Sainsbury's und Marks & Spencer. Von maximal 29 Punkten erhielt sie deren 25.

Ganz ohne Kritik kommt aber auch der Roundtable nicht weg. 2009 monierte Greenpeace, es gebe einzelne Palmölproduzenten, die sich nicht genau an die RSPO-Richtlinien halten würden und teilweise weiter brandrodeten. RSPO setzt sich mit diesen Vorwürfen auseinander und wird bei Bedarf geeignete Massnahmen einleiten. Die Migros unterstützt diese Entwicklung.
Um den Schutz der Tropenwälder weiter voranzutreiben, muss möglichst viel nachhaltiges Palmöl angebaut und eingesetzt werden. «Es ist an den Detailhändlern weltweit, nur noch Produkte zu verkaufen, die RSPO-zertifiziertes Palmöl enthalten», sagt Robert Keller von der Mifa AG. Gegenwärtig zögern aber noch viele Hersteller diesen nachhaltigen Rohstoff einzusetzen.